Der hl. Vinerius (Venerius, Sankt Finer) ist genauso geheimnisumwittert wie sein verstecktes Kirchlein zu Nüziders am alten Siedlungsrand, das seit dem Mittelalter vom Dorfbach fast meterhoch eingeschottert wurde. Der markante Turm, zu zwei Dritteln ein Meisterstück der romanischen Baukunst, sowie vielmehr das angeschlossene Kirchlein mussten freilich im Laufe der Jahrhunderte (seit ottonischer Zeit) etliche Veränderungen über sich ergehen lassen. Die neuesten Erkenntnisse der Archäologie haben ergeben, dass dieses Gotteshaus Bestandteil eines ausgedehnten spätantiken und dann königlichen Gutshofes war bzw. in den Mauern eines solchen Gutshofes errichtet wurde.
Wie der hl. Vinerius hier seinen Standort in Nüziders fand, weiß man nicht mehr. Am ehesten hängt die Wahl des Patroziniums mit einem Lehensträger des herrschaftlichen Hofes zusammen, der vielleicht als spätantiker Pensionist politische Kontakte oder familiäre Bindungen zu Oberitalien unterhielt. Nachvollziehbar ist lediglich, dass Vinerius
(Venerius), eine historisch verbürgte Persönlichkeit, auf dem Bischofsstuhl zu Mailand urkundlich zwischen 400 und 409 wirkte als der zweite Nachfolger des berühmten hl. Ambrosius (397). Außerhalb von Mailand blieb Vinerius eher ein Unbekannter, denn nördlich der Alpen gibt es - außer in Nüziders – keine zweite Vinerius-Kultstätte. Die Gebeine dieses seltenen Kirchenpatrons ruhen in der uralten Kirche San Nazaro Maggiore in Mailand.
Die folgende Beschreibung der Glocken der Vineriuskirche wurde aus dem Artikel von Daniel Orth (Glockensachverständiger) entnommen und kann auch unter folgendem Link heruntergeladen werden. Zudem sind in dem herunterzuladenden Artikel technische und musikalische Daten sowie Glockenbilder enthalten.
Am 8. Juli 2017 habe ich außerdienstlich und privat gemeinsam mit Manfred Wipplinger, Mesner in St. Martin Dornbirn eine Ton- und Videoaufnahme der Glocken der St. Viner-Kirche gemacht und in diesem Rahmen die Glocken inventarisiert.
Die romanische Vineriuskirche ist als älteste Kirche im Walgau sowie eine der ältesten Kirchen ganz Österreichs ein wahres Kleinod von unschätzbarem geschichtlichem und kunsthistorischem Wert! In ihrem romanischen Tuffsteinturm hängt ein Glockenpaar, welches in seiner Einheit
äußerst selten ist. Es zählt wohl zu den ältesten Ausstattungsgegenständen der Kirche und stammt vermutlich aus der Bauzeit des Turmes.
Klanglich wie kunstgeschichtlich sind die Glocken von sehr hohem Wert! Sie dürfen zu den schönsten romanischen Glocken in Österreich gezählt werden.
Die Glocken hängen in einem zweifeldrigen Eichenholzglockenstuhl. Der Glockenstuhl weist ein sehr hohes Alter auf, ist allerdings renovierungsbedürftig. Beide Glocken hängen nebeneinander und läuten in Richtung des Kirchenschiffs. Glocke 2 hängt im Süden, Glocke 1 im Norden. Die Holzjoche aus Eiche sind ebenfalls historisch und dürften ca. 300-500 Jahre alt sein. Die Beschläge (handgeschmiedete Flachbänder nach historischem Vorbild) sind neu und wohl mit den Läutemaschinen, Lagern und Klöppeln vor ca. 15 Jahren eingebaut worden. Zum Zeitpunkt der Inventarisation sind eine Neuintonation der Läutemaschinen sowie Arbeiten an den Klöppeln und am Glockenstuhl geplant.
Glocke 2: Sechshenkelkrone mit Mittelöse, jeweils zwei Henkelpaare gegenüber in Läuterichtung. Ein Henkel abgebrochen. Henkel rund, Gussnaht erkennbar. Kronenplatte unsauber, nur teils sichtbar von Haube abgesetzt. Haube zur Schulter hin stark abgesetzt (~1,5cm). Starke Kante zum Hals. Im Bereich der Schulter mehrere, zum Teil tiefe Lunker (Ø~1cm). Obersatz völlig geradlinig abfallend, sehr schlank. Zum Wolm hin stark breiter werdend. Am Wolm als einziger Zierrat umlaufender, ca. 1 cm dicker halbrunder Steg. Schärfe verhätnismäßig wenig ausgeschlagen. Anschlagstelle breit und tief ausgeschlagen. Neue Klöppel schlagen oberhalb der alten Anschlagstelle, gerade noch am Schlagring an. Glocke um 90° gedreht worden. Keine Inschrift. Im Innern der Glocke Ablieferungsnummer aus Kriegszeiten, Klasse C
Glocke 1: Sechshenkelkrone mit Mittelöse, jeweils zwei Henkelpaare gegenüber in Läuterichtung. Henkel viereckig mit stark gefasten Kanten. Kronenplatte stark zur Steil abfallenden Unterplatte abgesetzt. An der Kante zum Hals rundlaufende, etwas unsauber gegossene Inschrift, von zwei halbrunden Stegen eingefasst. Lettern ca. 2,5 cm hoch. SE[Majuskel „E“ retrograd]NNAHOI + SACVL + SVCRAM + SVE[dto.]TAM + Die Inschrift ergibt, von rechts nach links gelesen, die Namen der vier Evangelisten. Gestalt der Flanke ähnlich wie bei Glocke 2. Am Wolm ein stark ausgebildeter, umlaufender eckiger Steg. Schärfe stärker ausgeschlagen, alte Anschlagstellen stark ausgeschlagen. Neue Anschlagstelle liegt über alter Anschlagstelle, gerade noch am Schlagring. Im Innern der Glocke Ablieferungsnummer aus Kriegszeiten, Klasse C
Laut Jörg Wernischs „Glockenkunde von Österreich“ wurden beide Glocken vom selben Gießer, einem Walgauer Gießer, um 1300 gegossen. Eine Anfrage an die Inschriftenkomission ergab, dass als Gusszeit tatsächlich vom frühen 14. Jahrhundert auszugehen ist. Dabei stützt sich die Inschriftenkomission auf die Gestaltung der Majuskeln der Inschrift. Der Gießer ist der selbe, wie auch in Bludesch-Zitz. Ob es sich dabei aber um einen Walgauer Gießer handelte, ist fraglich. Als Gießer könnten auch St. Gallener Mönche in Betracht gezogen werden, hierzu müsste näher nachgeforscht werden. Eventuell fällt die Gusszeit auch in die Bauzeit des Turmes. Die Glocken stammen aufgrund der leicht verschiedenen Gestaltung vermutlich aber nicht aus einem Guss.
Wohl das wertvollste Stück der spätgotischen Kunst in der Pfarre Nüziders ist der „Muttersberger Altar“. In der Mitte des Schreines befindet sich - wohl anstelle einer Marienfigur – die hl. Margareta mit dem Drachen auf einem Podest, an dem man ohne
Schwierigkeit erkennen kann, dass die gefasste Plastik nicht zum Originalbestand zählt. Ein Schleiervorhang mit Blüten bildet den oberen Abschluss des Mittelschreines.
Vom Besucher aus zeigt sich rechts der Mittelfigur der berühmte hl. Abt Antonius; zur Linken der Zentralfigur steht vermutlich entweder ein hl. Mönch Magnus oder aber der hl. Petrus - mit einem Kreuz, das gleichfalls nicht zum Originalbestand gehört.
Die Innenseiten der Altarflügel sind als geschnitzte Flachreliefs gestaltet, links die hl. Barbara mit Kelch, rechts die hl. Katharina mit Schwert und Buch; das Rad als zusätzliches Marterinstrument ist nur noch rudimentär vorhanden.
Die Außenseiten der Altarflügel wurden in einer Mischtechnik bemalt: links im roten Umhang der Vorläufer Jesu, Johannes der Täufer, mit Buch, darauf liegt das Lamm Gottes, der lange Zeigefinger erinnert an die berühmte Darstellung auf dem Isenheimer
Altar; rechts wartet der Pestpatron Sebastian mit grünem Umhang, an einen Baum gebunden, um dort durch Pfeilschüsse den Tod zu erleiden.
Alte originale Plastiken (16./17. Jahrhundert) aus Lindenholz verkörpern die hl. Caecilia und den hl. Bischof Vinerius.
Die Predella (kunstgeschichtlich „Staffel, Untersatz"), also das Zwischenstück zwischen dem Schrein und dem Altartisch, ist versehen mit einem passenden Motiv, nämlich mit dem „Letzten Abendmahl“. Der unbekannte Bildschnitzer schuf in Halbrelieftechnik Christus mit seinen zwölf Aposteln, und zwar in Vierergruppen. Ob diese liebevoll gestaltete Szene ursprünglich zum Altärchen gehörte, ist eher fraglich.
Das Antependium (ein „herabhängendes“ Altartuch) zeigt in spätgotischer Flachschnitzerei nochmals die hl. Katharina und den hl. Magnus. Der neue grazlle Altartisch ist aus Sandstein angefertigt.
Der einheitlich wirkende Innenraum des Kirchleins besteht in Wahrheit aus dem ottonischen Teil im Mittelstück, also aus der Zeit der Sachsenkaiser kurz
vor der Wende zum ersten Jahrtausend, dann aus dem barocken Zubau gegen
Osten (mit dem Fenster) und schließlich dem offenen „Vorzeichen“ gegen
Sonnenuntergang, also insgesamt ein historisch und religionsgeschichtlich
ehrwürdiges Areal.
Barocke Veränderungen sind nicht nur durch die Fensterausbrüche erkennbar, sondern gleichfalls durch die interessanten Malereien samt ihren geometrischen Vorzeichnungen im heutigen Altarraum.
Die auf Kupfer gemalten Stationsbilder, die neuen bequemen Kirchenbänke sowie der graue Boden aus einheimischem Kalkstein bereichern den Innenraum.
Die ursprüngliche Kirchentür mit ihrer gotischen spitzbogigen Umrahmung führte einstmals in das Untergeschoß des Turmes, damals die Sakristei. Im Turm selbst hängen seit Jahrhunderten die zwei mittelalterlichen Glöcklein, eines davon verziert mit den Namen der Evangelisten – allerdings spiegelschriftlich zu entziffern.
Die Haupteingangstür des Vineriuskirchleins richtet sich nach Westen und ist geschützt durch das hoch aufragende geräumige Vorzeichen mit z.T. altem Mauerbestand und mit dem offenen Dachstuhl. Der gotische Spitzbogen des Kirchenportals lässt sehr gut die kräftigen Farben der originalen malerischen Umrandung erkennen. Vor einer massiven Tür aus Eichenholz wurde zusätzlich ein geschmiedetes Gitter angebracht.
Die gemauerte Westwand des Vineriuskirchleins weist im obersten Teil noch Verputzreste mit dem in romanischer Zeit typischen Kellenstrich auf - ähnlich wie am Untergeschoß des Turmes. Dass früher eine andere Form des Dachstuhles und des Vorzeichens existierte, ist einwandfrei aus der Verputzgeschichte abzulesen.
Die Wandmalereien wurden durch den Ausbruch eines barocken Westfensters empfindlich
gestört. Jedoch in der gekonnten Linienführung und in ihrer Lieblichkeit sowie in der dezenten Farbgebung weisen sie auf einen wirklichen Meister hin, welcher sicherlich geschult in höfischen Traditionen die Anbetung des Jesuskindes durch die drei Weisen schuf; ein Thema, das im Mittelalter durch die Kreuzzüge stets die Frömmigkeit der Betrachter erweckte. Die junge Frau Maria sitzt würdevoll und hält ihr Kindlein den hohen Besuchern ohne Scheu entgegen. Diese wissen, was sich ziemt, denn der älteste König hat seine Krone bereits zu Füßen der Gottesmutter gelegt und bietet dem Jesuskind eine Schatulle mit Gold an. Der mittlere König will dem Kollegen hinter ihm bzw. dem Bildbetrachter den Sinn der Reise erklären und weist mit der einen Hand auf die Strahlen des Sterns von Bethlehem. Der jüngste der drei Weisen besitzt gleichfalls edle Gesichtszüge; jedoch – entgegen der späteren Tradition - findet sich kein Mohr.
Ein breites orangefarbenes Band trennt die Anbetungsszene vom hl. Christophorus
auf der linken Partie der Westwand. Hier werkte zweifelsfrei ein anderer Künstler an der fast drei Meter hohen Figur mit dem Jesuskind und mit dem Baumstamm; die schmalen Augen, die völlig andere Haarbehandlung verraten eine konservativere Hand. Allenfalls musste sich der Künstler der Christophorus-Gruppe einem vorhandenen Vorbild annähern; es scheinen Reste einer zweiten Malperiode vorhanden zu sein. Unter dem Dreikönigsbild zieht sich ein koloriertes Würfelband hin, darunter rudimentär die Bischofsmütze von Vinerius mit Heiligenschein, vielleicht in Form eines sitzenden und somit dozierenden Bischofs.